Interview Baurecht

Im Gespräch mit Herrn Kunz, Rechtsanwalt für
Baurecht

Fragen von GetYourLawyer vom 02.02.2021:

„Als Rechtsanwalt für Baurecht berät Herr Kunz Privatpersonen
und Firmenkunden schweizweit und ortsunabhängig. Dabei hilft
er z. B. bei der Durchsetzung baurechtlicher Ansprüche und
vertritt Mandanten im Prozessgeschehen. Im Gespräch gibt er
Einblicke in seine Tätigkeit.“

  1. Guten Tag, Herr Kunz. Sie haben sich als Anwalt unter
    anderem im Baurecht spezialisiert. Warum haben Sie sich für
    dieses Rechtsgebiet entschieden?

    Ich bin praktisch mit dem Bauen verheiratet. Meine Frau führt
    seit 20 Jahren ein Architekturbüro und sie schätzt es, wenn ich
    sie, ihre Bauherren oder Unternehmer bei Bedarf juristisch
    berate. So bin ich da reingerutscht. Zudem bin ich selbst
    Hauseigentümer und war auch schon Bauherr.
  2. In welchen Fällen kommt es häufig zum Rechtsstreit und wie
    unterstützen Sie Ihre Mandanten?

    In letzter Zeit häuften sich bei mir Anfragen im Zusammenhang
    mit GU- oder TU-Verträgen. Leider kommen die Kunden
    vielfach erst, wenn der Vertrag schon unterschrieben oder
    Mängel schon eingetreten sind. Oft unterstütze ich auch bei
    Baueinsprachen. 2020 gab es bei mir ausserdem eine auffällige
    Häufung von Wasserschäden. Nicht alle Versicherungen
    wickeln diese Fälle gleich kulant ab.
    Zuerst gilt es in der Regel, den genauen Sachverhalt zu klären
    und zu bewerten. Nebst Kenntnissen der Rechtsgrundlagen
    (privates und öffentliches Recht), der Rechtsprechung sowie
    der einschlägigen Bau-Normen ist für mich auch das Netzwerk
    von ausgewiesenen und erfahrenen Baufachleuten von
    zentraler Bedeutung.
  3. Spielt die Mediation, also eine aussergerichtliche
    Streitbeilegung, im Bauwesen eine Rolle? Wie profitieren Ihre
    Mandanten davon?

    Vor allem bei Baueinspracheverfahren und bei nachbarlichen
    Streitigkeiten ist es zu empfehlen, unter den Parteien eine
    einvernehmliche Lösung zu finden. Schliesslich kann man sich
    als Nachbarn nicht einfach aus dem Weg gehen. Da ist es
    sicherlich besser, man versucht die Beweggründe zu verstehen
    und den gemeinsamen Nenner zu finden, bevor es zu
    langwierigen und teuren Gerichtsverfahren kommt.
  4. Wir erhalten viele Anfragen von Kunden, bei denen es um
    hohe Bauschadenkosten geht. Wie kommt das und was können
    Bauherren vorab tun, um sich vor dem finanziellen Ruin zu
    schützen?

    Vom Schweiz. Hauseigentümerverband (HEV) werden die aus
    Baumängeln entstehenden Kosten auf 8% des
    Investitionsvolumens beziffert. Bauen wird wegen der
    technischen Entwicklung und der gesetzlichen Auflagen immer
    komplexer und kostenintensiver, trotz Fördergelder. Nebst Zeit und
    Gelddruck führen oft auch eine unsorgfältige Planung,
    laufende Projektänderungen oder eine mangelhafte Bauleitung
    zu Baumängeln. Am Bau eines normalen Einfamilienhauses
    sind 20 bis 30 Unternehmen und bis zu 100 Handwerker direkt
    beteiligt. Da gibt es viele «Schnittstellen», die zu Mängeln
    führen können. Leider leidet auch die Schweiz immer mehr
    unter dem Fachkräftemangel und Billiganbietern. Die Auswahl
    der Baupartner, eine sorgfältige Planung und klare vertragliche
    Grundlagen sind deshalb enorm wichtig. Auch der erforderliche
    Versicherungsschutz (Bau-, Haftpflicht-, Garantie-,
    Rechtsschutzversicherungen) sollte vorgängig umfassend
    abgeklärt werden.
  5. Andere Fälle betreffen Baueinsprachen gegen geplante
    Bauvorhaben. Was gilt es da zu beachten?

    Für eine Baueinsprache braucht es ein berechtigtes Interesse.
    Das ist bei den unmittelbaren Nachbarn in der Regel gegeben.
    Sofern ein solches Interesse besteht, können sämtliche
    öffentlich-rechtlichen Mängel beanstandet und teilweise auch
    zivilrechtliche Anliegen eingebracht werden (z.B. Erstellung
    eines Rissprotokolls, Baugrubensicherung,
    Grenzzaun/-begrünung). Oft dient eine Einsprache auch einfach
    dazu, mit der Bauherrschaft in Kontakt zu treten und mit
    Unterstützung der Baubehörden die gegenseitigen Interessen
    unter einen Hut zu bringen. Das Verfahren ist für die
    Einsprechenden kostenlos. Die Anwaltskosten werden in der
    Regel von der Rechtsschutzversicherung übernommen.
  6. Sie begleiten Ihre Mandanten auch bei der Gestaltung und
    Prüfung von Kauf- und Bauverträgen. Welche Fehler treten hier
    häufig auf?

    Im Rahmen unseres Vertrags-Check für Kauf-, Werk- und
    GU/TU-Verträge prüfen wir 30-50 Punkte, machen
    Verbesserungsvorschläge und weisen auf Risiken hin. Es gab
    noch nie einen Fall, in welchem wir sagen konnten: «Alles
    grün».
    Bei GU-/TU-Verträgen geht es vor allem um ungenügende
    Baubeschriebe, zu tiefe Pauschalen für den Innenausbau, hohe
    Kosten für Projektänderungen, Vorauszahlung ohne Garantien,
    fehlende oder ungenügende Haftpflichtversicherung des
    GU/TU, Haftungsausschluss ohne Übertragung der
    Forderungsrechte, Gefahr von Doppelzahlungen
    (Bauhandwerkerpfandrecht).
    Bei Kaufverträgen von bestehenden Liegenschaften sollten die
    zugesicherten Eigenschaften im Vertrag ausdrücklich erwähnt
    und allfällige Garantieansprüche übertragen werden. Auch hier
    ist auf eine umfassende Dokumentation (inkl. revidierte
    Ausführungs- und Leitungspläne, wenn möglich digital) zu
    bestehen. Vor der Vertragsunterzeichnung sollte eine Abnahme
    mit einem erfahrenen Baufachmann durchgeführt, allfällige
    sichtbare Mängel protokolliert und die Behebung geregelt
    werden. Bei Bedarf ist ein Konzept für anstehende Sanierungen
    und Umbauten zu erstellen, auch wenn die entsprechenden
    Massnahmen noch nicht sofort umgesetzt werden. Der Käufer
    sollte sich im Klaren sein, dass die Sanierungskosten bei einer
    40-jährigen oder älteren Liegenschaft mehrere 100’000 Franken
    betragen können.
    Bei Stockwerkeigentum sollte zudem das Reglement der
    Stockwerkeigentümergesellschaft, der Erneuerungsfonds und
    die letzten Protokolle der Eigentümerversammlung geprüft
    werden.
  7. Wie beurteilen Sie die Vorteile der Online-Rechtsberatung?
    Der Hauptvorteil für den Kunden scheint mir die Möglichkeit,
    das Problem schriftlich festzuhalten und auch gleich die
    wichtigsten Dokumente hochzuladen. Damit kann ich mir vor
    dem Erstkontakt bereits ein Bild machen. Das spart Zeit und
    Kosten. Vor der Einleitung weiterer Schritte ist dann in der
    Regel eine persönliche Besprechung und eine Besichtigung vor
    Ort empfehlenswert.
    Für den Kunden ist sicherlich auch ein Vorteil, dass er oder sie
    unter drei Angeboten auswählen kann.
  8. Wir bedanken uns für das Gespräch. Welchen Rat möchten
    Sie unseren Mandanten abschließend mitgeben?

    Ich habe gleich zwei wertvolle Ratschläge:
    Vor Abschluss eines Kauf-, Werk- oder Planervertrages ab CHF
    10’000 sollte ein neutraler, juristischer Vertrags-Check
    durchgeführt werden.
    Vor der Durchführung von Sanierungen/Umbauten einzelner
    Bauteile sollte unbedingt ein nachhaltiges Gesamtkonzept
    (Sanierungsplan) durch eine(n) versierte(n)
    Architekten/Architektin erstellt werden. Andernfalls riskiert man
    Mängel (Statik, Bauphysik, künftige Nutzungen etc.), die später
    für teures Geld wieder korrigiert werden müssen (z.B. Ersatz
    Fenster, Fassaden, Bodenbeläge, Bäder und Küchen